Magst du eine Zukunftsgeschichte?

Magst du eine Zukunftsgeschichte?

„Echo des Menschseins“

Das Rauschen des Meeres klang anders als früher. Sanfter, berechneter. Seit Jahrzehnten wurden die Strömungen von den Ozeanwächtern reguliert – riesige, KI-gesteuerte Plattformen, die das Gleichgewicht der Erde aufrechterhielten. Die Menschen, die einst gezwungen waren, mit den Launen der Natur zu tanzen, hatten sich längst mit der Technik verwoben.

Welt der Zukunft von KI gesteuert

Mira stand barfuß im Sand und schloss die Augen. Die Luft war klar, der Himmel von Nanodrohnen durchzogen, die für sauberes Wasser und perfekte Temperaturen sorgten. In ihrer Hand hielt sie nichts. Sie brauchte keine Geräte mehr, um mit der Welt verbunden zu sein.

Die Menschheit hatte sich verändert.

Vor wenigen Jahrzehnten war alles noch anders gewesen. Die Menschen hatten sich auf ihr Handy gestützt und benutzten diverse Geräte und Computer, um Daten zu erstellen, womit sie das gigantische Netzwerk fütterten, aus denen dann die Daten auch wieder abgerufen werden konnten. Schon damals lohnte sich das Auswendiglernen nicht mehr und auch Bücher oder Fotos wurden immer weniger genutzt – denn all das gab es digital viel besser, schneller, überall und zu jeder Zeit. Die Menschen warfen ihre Bücher in den Müll, niemand wollte sie mehr haben.

Heute sind sie eine Rarität, kaum jemand hat eigene Bücher und seit Jahren werden schon keine Bücher mehr hergestellt. Jetzt war Information überall – in ihren Köpfen, in der Luft, in den Strukturen der Städte. Gedankengesteuerte Schnittstellen hatten das Tippen ersetzt, Augmented Reality die physischen Bildschirme. Heute können die wenigsten jungen Leute noch lesen oder schreiben, weil es überflüssig geworden ist. Es reicht völlig aus, etwas zu denken. Und dieses Denken wird durch Informationen erzeugt, die algorythmisch vom Informationsfeld in die Gehirne der Menschen gespeist werden und sich dann wie Inspiration anfühlen, wie eigene Gedanken.
Doch Mira zweifelte daran, ob das wirklich noch eigene Gedanken waren?
Eine Frage kreiste wie eine Endlosschleife seit Monaten in ihrem Kopf:
Was ist wirklich noch menschlich?

Mira erinnerte sich an Erzählungen ihrer Großmutter. Die wusste zumindest noch einiges vom Hörensagen, auch wenn sie es selbst schon nicht mehr erlebt hatte. Früher hatten Menschen Straßenkarten erstellt und fast jeder konnte sie lesen, denn das war die einzige Möglichkeit, sich gezielt zu bewegen, ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto. Mit einem Auto konnte man nur fahren, wenn man einen Führerschein hatte, man musste das Auto selbst steuern und manuell bedienen können. Auch wenn es Auto hieß, gab es doch keinen Autopilot-Modus, das kam erst viel später. Menschen bauten Instrumente und spielten darauf Musik, sie bauten sich Werkzeuge und bauten damit Dinge, sie malten Bilder, mit ihren Händen, mit Farben, mit Stiften. Sie waren alle Künstler, sie konnten etwas selbst machen. Sie hatten selbst Entscheidungen getroffen, ohne dass ein Algorithmus ihnen die beste Option vorschlug. Sie hatten sich verlaufen, gestritten, gezweifelt, nach Lösungen gesucht, sich Gedanken gemacht und oft ging auch was schief – doch genau das hatte sie lebendig gemacht.

Heute waren Fehler selten geworden. Maschinen überwachten das Wohlbefinden, Krankheiten wurden frühzeitig erkannt und behandelt, Entscheidungen optimiert. Wer brauchte noch Instinkt, wenn es perfekte Berechnungen gab?

Aber etwas fehlte. Wieso musste Mira immer an das Leben der Menschen vor der Digitalisierung denken? Es kam ihr so abenteuerlich, so aufregend und so unvorstellbar viel besser vor, als alles, was sie selbst erleben und tun konnte. Mira hatte schon bemerkt, dass diese alten Zeiten sehr negativ dargestellt wurden. Als wären die Menschen dumme, ausgelieferte Wilde gewesen, die völlig ungesteuert, völlig unwissend den Unbilden der Natur und ihrer eigenen Unfähigkeit in Frieden zu leben ausgesetzt waren. Die Menschheitsgeschichte trieft nur so vor Gewalt und Elend, Leid und Verrat, Hilflosigkeit und Kriegen.
Alles wird so aufbereitet, dass jeder Mensch froh sein musste, heute zu leben, in einer friedlichen, von KI kontrollierten Welt, die nicht nur die Menschen lenkt und leitet, sondern auch den gesamten Planeten, das Wetter, die Tier- und Pflanzenwelt steuert und überwacht und reguliert.
Krieg, oder sogar Gewalt, ist heute undenkbar geworden. Mira kann sich gar nicht vorstellen, dass es Menschen gab, die hungerten, die keine Möglichkeit hatten, sich wohl zu fühlen, weil sie auf nackter Erde leben mussten, dem Klima gnadenlos ausgesetzt waren, ohne sich davor schützen zu können. Wenn sie nur daran dachte, an solche Geschichten, lief es ihr kalt den Rücken runter. Gleichzeitig faszinierte es sie aber auch. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, selbst so eine Erfahrung machen zu können. Auch wenn das sicher nicht angenehm war, würde sie alles dafür geben, um so etwas mal fühlen zu können. Außerdem glaubte sie, dass die alte Zeit gar nicht so grausam und so unmenschlich gewesen ist, wie es immer dargestellt wird – vielleicht stimmte das ja gar nicht. Und dieser Gedanke, dass es vielleicht gar nicht stimmen könnte – der beflügelte sie so sehr und in ihrem ganzen Körper fühlte es sich an wie ein Feuerwerk.

Phantasiewelt, ohne Technologien

WAS, wenn das alles ganz anders war? WAS, wenn damals alles viel menschlicher war und wir heute fast nichts mehr davon übrig haben? WAS wenn menschliches Sein viel, viel besser ist, als das was sie kennt?

Mira atmete tief ein und lauschte. Dann hörte sie es – nicht das Rauschen der programmierten Wellen oder das Summen der Drohnen, sondern etwas anderes. Den stillen Raum zwischen den Tönen.
Dort, wo keine Daten flossen, wo keine KI ihre Gedanken ordnete, war noch ein Echo. Ein Echo des alten Menschseins.

„Du hörst es auch, oder?“
Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Ein Junge stand neben ihr, barfuß wie sie, mit einem Lächeln, das nicht perfekt berechnet war. Sie nickte.
„Ja“, sagte sie. „Es gibt noch mehr als das hier.“
Der Junge grinste. „Dann lass uns herausfinden, was es ist.“

Und zum ersten Mal seit Jahrzehnten entschieden zwei Menschen etwas ohne Berechnung, ohne KI, ohne Optimierung – nur aus dem Gefühl heraus.

Und genau da begann die nächste Evolution.

Bleibt die Frage, ob es eine Zukunftsgeschichte ist – oder doch eine Geschichte aus unserer Vergangenheit?
Haben wir uns schon mal befreit, um wieder Mensch zu werden und diesen Weg ohne Technologien zu leben, ganz bewusst eingeschlagen?

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2 Gedanken zu „Magst du eine Zukunftsgeschichte?

  1. 28.02.2025

    Hallo Grit,
    Du hast uns eine feine Geschichte erzählt. Solche Geschichten sind selten geworden. Jeder erkennt hier, dass ist alles Spinne, frei erfundener Quatsch. Aber es ist schön und interessant, was mann sich so alles ausdenken kann. Einen Bezug zu unserer verworrenen Gegenwart kann man auch herauslesen. Ich kann mich an Geschichten aus den 50ziger und 60ziger Jahren erinnern, die Autoren habe ich vergessen, das kann man aber heute alles, bei Google und auch anderswo, in Erfahrung bringen. Damals nannten wir diese Geschichten, Utopische Romane. Vieles von dem, was für uns heute selbstverständlich ist, wurde schon beschrieben. Kaum einer konnte sich vorstellen, dass es so etwas einmal, als Realität geben könnte. Maches ist nicht ganz so, wie es das Beschriebene in unseren Köpfen spiegelte und an vielem Anderen wird noch gearbeitet und geforscht. Bei manchen real existierenden Dingen hat uns auch die Realität überholt. Da ist für uns plötzlich etwas sichtbar, was Denken und Handeln vor neue Herausforderungen stellt. Ich denke da an KI, die Künsliche Inteligenz. Darüber geredet hatte man schon lange, aber dass jeder Zugang dazu bekommt, wenn er will, das konnte ich nicht erkennen. Inzwischen sehe ich, warum die Aktoren diesen Zugang gewähren. Diese KI benötigt Informationen um zu funktionieren. Es wird überall alles abgegriffen und wir müssen es geschehen lassen. Wir können uns nicht entziehen, weil es uns nicht gefällt. Wir brauchen Essen und Trinken und alles was daraus erwächst. Aussteigen geht nicht. Was da zusammenkommt, ist für Menschen nicht mehr erfassbar. Die Maschine kann es. Je genauer die Frage, je präzieser erhalten wir die Antwort.
    Lassen wir unserer Fantasie freien Lauf. Es fühlt sich besser an, als Berichte von Mord und Totschlag aus aller Welt, ständiges schüren von Ängsten, das Schaffen von Feindbildern und Kriegshetze.
    Geben wir unseren Träumen und Wünschen ein Ziel, das nicht gegen einander gerichtet ist. Wir Menschen brauchen einander.
    Auf weitere fantastische Geschichten freut sich

    Waldemar

    1. Danke für deinen Kommentar, lieber Papa!
      Ich erinnere mich, dass wir im Urlaub früher oft utopische Bücher lasen, ich hatte das geliebt, genauso wie Märchen – weil das für mich in der Tat realer war, als viele andere Geschichten, die die Wahrheit widerspiegeln sollten – da war Platz für eigene Phantasien und Perspektiven.
      Mir Unvorstellbares vorzustellen, das hatte mir schon immer gefallen – vielleicht liegt es daran, dass ich dann auch so viel Unvorstellbares erleben durfte – denn ein langweiliges Leben, wie: „täglich grüßt das Murmeltier“ war mein größter Graus 🙂

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