Gut und Böse
Eine Betrachtung
Was, wenn es Gut und Böse, so wie wir es gelernt haben und betrachten, gar nicht gibt?
Was, wenn in Allem das Potential für Gutes und auch Böses wohnt?
Was, wenn die Welt nicht schwarz/weiß ist, sondern ein buntes, lebendiges, sich ständig veränderndes Etwas, das zwischen Licht und Schatten tanzt und sein Gleichgewicht sucht?
Was, wenn jeder selbst verantwortlich ist, in jedem Moment zu wählen, welcher Spur er folgen will – dort, wo Licht ist, oder dort, wo der Schatten wächst?

Denn so erscheint es mir mehr und mehr:
Das Böse ist lediglich der Schatten des Guten, wenn das Gute aus dem Gleichgewicht gerät. Und ja, scheinbar gibt es Kräfte, die aktiv dafür sorgen, dass genau das, am besten in allen Bereichen des Lebens, geschieht. Denn das Lebendige strebt von sich aus zum Gleichgewicht – das können wir in der unberührten Natur gut beobachten.
Beispiele aus dem Leben
Bereich Erziehung
Einem Kind einfühlsam Grenzen zu setzen, es zu begleiten und zu leiten, bis es selbst alt genug ist, zu wählen und zu entscheiden, ist eine gute und notwendige Sache. Wenn das allerdings zu rabiat und vielleicht auch lieblos geschieht, dann ist es traumatisch und schädlich. Wenn es aber gar nicht geschieht und dem Kind keine Grenzen gesetzt werden, es nicht geleitet wird, sondern Eltern sich von ihrem Kind leiten lassen wollen – dann kann das auch schädlich und traumatisch sein.
Dafür zu sorgen, dass ein Kind möglichst bald keine Windel mehr braucht, weil das einfach für alle Beteiligten und die Umwelt angenehmer ist, ist eine gute Sache. Macht man das aber zu streng, zu lieblos, mit Druck und Zwang, kann es traumatisch sein und dem Kind tiefe Wunden zufügen. Macht man es halbherzig und total inkonsequent oder lässt es gleich ganz, aus Angst, man könnte sein Kind traumatisieren, dann hat das oft sehr nachteilige Folgen, die selten besser sind als die von Zwang – nur anders. Denn ein Kind, das in der Schule noch Windeln trägt, kann noch mehr Schaden nehmen.
Wenn man also zu weit zur einen Seite oder zur anderen geht, wird das gesunde Gleichgewicht gestört, und die Schatten entfalten ihre Wirkung.

Bereich Politik
Nehmen wir die kommunistische Idee, die aus zu viel Gefälle zwischen Arm und Reich entstanden ist, aus zu viel Ausbeutung, zu viel Unterdrückung, zu viel Faschismus und Kapitalismus…
In diesem Kontext war das eine ganz gute Idee: Die Menschen sind alle gleich viel wert, alles gehört allen, Gemeinwohl hat Vorrang, und jeder leistet seinen Beitrag für das Kollektiv.
Zumindest hatte ich die kommunistische Idee als Kind so verstanden, so wurde sie mir verkauft.
Also speicherte ich ab: Kapitalismus ist Böse, Kommunismus ist Gut.
Aber man kann aus der besten Sache etwas Böses machen, wenn man nur will.
Heute sehe ich, dass die kommunistische Idee nur in der Idee gut war, nicht in der Umsetzung – da fing schon die Pervertierung an. Zu viel Gleichmacherei ist gegen das Leben, gegen die menschliche Einzigartigkeit. Zu viel zentral gesteuerte Fürsorge ist schädlich für die Selbstverantwortung. Zu viel Institution, Struktur und Plan, zu viel Staat, zu viel Vorschrift, zu viel Gesetz raubt den Menschen die Selbstermächtigung, die Schöpferkraft, die Wahl zur Entscheidung, die Fähigkeit, sich zu entwickeln.
Daraus folgt unangemessene Kontrolle, Manipulation und Fremdbestimmung – Zerstörung der lebendigen Kraft und der Kreativität des Menschseins.
Im Kapitalismus ist es das Gleiche. Nicht die Idee ist böse, sondern die Umsetzung, die zu Ungerechtigkeit und einseitiger Kapitalanhäufung, Macht und Kontrolle führt. Was zu Ausbeutung, Armut und Abhängigkeit vieler Menschen führt und zu einem ungesunden egozentrischen Verhalten, wo sich jeder selbst der Nächste ist – aus Angst und Unverbundenheit heraus.
Ein Sozialstaat ist eigentlich etwas Gutes – solange er nicht die Familien zerstört und die Menschen in Abhängigkeiten zwingt, aus denen sie aus eigener Kraft kaum mehr entfliehen können – schwups ist er zu etwas Bösem geworden.
Als das Thema „Gender“ aufkam, war ich von der Philosophie und den Werten dahinter begeistert, es klang wirklich gut, es war gut! Ich konnte fühlen, wie dieser Geschlechterkampf dadurch ein Ende finden könnte und wie es plötzlich um die Menschwerdung geht und die Wertschätzung beider Geschlechter. Man wollte weg davon, die Rollen von Mädchen und Jungen von klein auf zu prägen, man wollte den Fokus auf das Menschsein richten, nicht auf die Rollen. Das entsprach genau dem, was ich mir wünschte und wahrscheinlich viele andere Menschen auch.
Und was ist heute daraus geworden, aus diesem wirklich guten Ansatz? Etwas, das in meinen Augen völlig gegen die Natur ist und mehr Probleme bringt, als löst und die Menschen zerstört.
Natürlich ist das nur meine Sicht – andere erleben es vielleicht anders.
Menschen aufzunehmen, die in ihren Heimatländern bedroht sind, ist gut und richtig. Doch das eigene Volk bei seiner gesunden Entwicklung und seinem Wachstum zu unterstützen, ist ebenfalls wichtig. Heute haben wir die absurde Situation, dass behauptet wird, wir brauchen Millionen Menschen aus anderen Kulturen, weil wir nicht genug Arbeitskräfte und genug Nachwuchs haben. Dabei haben wir Millionen Arbeitslose und eine familien- und kinderfeindliche Politik, die dazu führt, dass viele sich keine Kinder mehr leisten können.
Ist das eine gute Politik?
Bereich Technologie
Es gibt heute so viele Technologien, die zur Manipulation, Unterdrückung und Kontrolle eingesetzt werden, weshalb wir sie als böse, oder bedrohlich empfinden. Technologien, die die Menschheit verblöden, Technologien, die unserer Gesundheit und der Natur extremen Schaden zufügen.
Technologien die immer komplexer werden und die kein Einzelner mehr im Zusammenhang erfassen kann, weil wir nur noch Spezialisten und Experten haben für Teilbereiche – aber niemanden der fähig ist, das Ganze zu sehen und zu verstehen.
Dabei braucht es genau das: Menschen, die Verantwortung für das Ganze tragen können, weil sie es begreifen.
Technologien an sich sind selten böse – dazu müssten sie ein eigenes Bewusstsein haben. Es sind die Absichten der Menschen, die diese Technologien entwickeln, programmieren und einsetzen.
Viele Entwicklungen beginnen mit edlen Absichten, um kranken und behinderten Menschen zu helfen, oder den Alltag zu erleichtern.
Enden jedoch oft grausam, mit biologischen Waffen und anderem Kriegsgerät, mit digitaler Kontrolle, genetischen Manipulationen – was dann gegen die Menschen und deren gesundes Wachstum eingesetzt wird.
Bereich Menschsein
Heute gibt es den spöttisch gemeinten Begriff „Gutmenschen“. Damit sind solche gemeint, die aus einem Bedürfnis heraus, gut zu sein, etwas völlig unreflektiertes tun, ohne den größeren Zusammenhang zu sehen.
Diese Menschen selbst glauben aus tiefstem Herzen, dass sie das Beste tun.
Aber auch das Beste kann schaden, wenn es aus dem Zusammenhang gerissen wird, wenn es nicht mehr gefühlt wird, sondern eine abgespaltene Handlung ist, mit dem Etikett „Gut“.
Hier ein paar Beispiele von Ungleichgewicht:
Wenn ein hilfsbereiter Mensch sich selbst dabei verliert, ist das nicht gut.
Wenn jemand nur nimmt, aber nichts beiträgt, obwohl er könnte, ist das auch nicht gut.
Wenn Kinder so überbehütet werden, dass sie keine Herausforderungen mehr meistern dürfen, ist das nicht hilfreich – sondern hemmend.
Wenn Kinder verwahrlosen und auf sich allein gestellt sind, ist das auch nicht gut.
Alles, was aus dem Gleichgewicht gerät, hat negative Auswirkungen, die zunehmen, um so länger der Zustand dauert und um so größer das Ungleichgewicht wird.
Wir kennen das auch alle aus der Astrologie, oder dem Tarot – wo oft von Fähigkeiten oder Charaktereigenschaften gesprochen wird und je nachdem wie sie ausgelebt werden, können sie kraftvoll, gut und nützlich sein, oder auch hemmend, bis zerstörerisch. Oft wird das Negative auch direkt als Schatten bezeichnet, oder als Kehrseite.
Und Licht und Schatten sind so untrennbar miteinander verbunden, wie die zwei Seiten einer Münze – das Glück liegt weder auf der einen, noch auf der anderen Seite – sondern dazwischen, in der Bewegung zwischen und mit den Kräften von Licht und Dunkel.
Bereich Gesundheit
Die Idee der Vorsorge ist gut. Doch was daraus wurde, ist oft eine Angstmaschinerie.
Statt Unterstützung in gesunder Lebensführung, werden wir untersucht, getestet und bekommen Diagnosen, die uns mehr beunruhigen als bestärken – daraus folgt ein Verlust des Vertrauens in den eigenen Körper.
In der Schwangerschaft zeigt sich das besonders deutlich.
Schwangerenbetreuung ist ein sensibles Feld. Was einst Vertrauen in den Körper war und den natürlichen Prozess, wurde ersetzt durch Checklisten, Standarditisierung und Interventionen.
Untersuchungen, die mehr Unsicherheit als Sicherheit bringen – und dann nennen wir es Fürsorge.
Doch wie fürsorglich ist es wirklich, wenn Druck ausgeübt wird? Wenn das Vertrauen der Mütter schwindet, weil sie sich schuldig fühlen, wenn sie nicht mitmachen?
Organspende kann Leben retten – ja. Aber sie ist auch zu einem Geschäft geworden.
Und wenn Menschen nur noch mit medizinischer Technik am Leben erhalten werden, ohne Aussicht auf Genesung – ist das dann wirklich human?
Tieren gibt man den Gnadentod – beim Menschen tut man oft alles, um das Leiden zu verlängern.
Sterben darf kaum mehr zu Hause stattfinden – weil es ein „Fehler“ wäre, wenn man nicht sofort den Notarzt ruft. Auch hier: Verlust von Urvertrauen und Selbstverantwortung.
Lebensverlängerung um jeden Preis?
Wenn Menschen über Jahre hinweg ans Bett gefesselt sind, Schmerzen haben, kaum am Leben teilnehmen können – ist es dann wirklich gut, ihr Leben mit aller Kraft zu verlängern?
Haben wir uns so weit von einem natürlichen Verständnis von Leben und Tod entfernt, dass wir nur noch mit Maßnahmen reagieren – nicht mit Mitgefühl und Weisheit?
Selbstbestimmung in Gesundheitsfragen wäre essenziell – doch genau diese wird mehr und mehr untergraben. Die Entscheidung, wie ich mit meinem Körper umgehe, wie ich sterben möchte, ob ich eine Behandlung annehme – sie steht uns oft nur noch theoretisch zu.
Gut und Böse entstehen aus dem Zusammenhang
Es ist leicht, dem Guten ein Etikett zu verpassen – und es dann nicht mehr zu hinterfragen.
Doch genau das ist die Gefahr:
Dass wir Gutes tun wollen, aber nicht bemerken, wenn es längst zu etwas anderem geworden ist.
Um das zu bemerken, braucht es Wachheit, Ehrlichkeit, Verbundenheit mit sich selbst.
Manchmal erscheint etwas auf den ersten Blick böse – doch im richtigen Zusammenhang betrachtet, dient es dem Guten.
Ein Beispiel:
Wenn jemand jemandem eine Ohrfeige gibt, sieht das auf den ersten Blick „böse“ aus.
Doch was, wenn es das erste Mal war, dass sich jemand mutig gegen einen Übergriff gewehrt hat?
Wenn das der einzige Moment war, wo eine klare Grenze gefühlt und gesetzt wurde?
Würden wir dann eingreifen, ohne den Hintergrund zu kennen, urteilen wir vorschnell – und verhindern vielleicht das Gute darin.
Und wie ist das mit Politik, Medien, Informationen?
Wir wissen meist gar nicht, was wirklich passiert ist, es sind nur Informationen, die falsch sein können, oder unvollständig. Aber wir lassen uns emotional hineinziehen – in Parteinahme, in Angst, in Urteilen oder in Empörung, ohne die Wahrheit zu kennen und verbreiten dann die Dinge weiter, angefüllt mit unserer emotionalen Ladung. Das ist definitiv nicht gut. Aber es ist genau das, was gewollt ist und es ist verdammt schwierig, sich da zurück zu halten.
Wirklich wesentlich scheint mir, dass wir uns im Kleinen, also bei uns selbst, in unserem Leben, unserem Fühlen, Denken und Tun auf die Schliche kommen und erkennen, wann aus unserem Gut die Schatten sprießen und es zu etwas anderem wird.
Ob das der Umgang mit uns selbst ist, mit unseren Kindern, Partnern oder Freunden und Nachbarn. Oder unsere Art auf Informationen in Netzwerken zu reagieren.
Wo geraten wir in ein Ungleichgewicht, wo wird es plötzlich schräg und fühlt sich eher nach Krieg, als nach Frieden an?
Wir können vieles, was da im Großen geschieht nicht ändern, aber wir können aufhören es unbewusst zu füttern, wenn wir es erkennen. Wir können aufhören es voran zu treiben, es zu unterstützen, mitzumachen.
Um so mehr Menschen das tun und bemerken wann die gute Idee, die gute Absicht beginnt zu kippen, wann es nicht mehr stimmig ist und dann inne halten und neue Entscheidungen treffen, um so weniger Macht geben wir den Schatten.
Gleichzeitig haben die Schatten auch eine Kraft, die nicht verteufelt werden sollte, die immer wieder gebraucht wird, die zum Leben dazu gehört – denn nur im Tanz zwischen Licht und Dunkel können wir wählen, Erfahrungen machen und uns immer wieder ausbalancieren – diese Bewegung nennt man Leben.
Und vielleicht liegt unsere Verantwortung genau darin: das Pendel bewusst zu halten – zwischen Klarheit und Mitgefühl, zwischen Freiheit und Verantwortung, zwischen Ich und Wir.