„Der Ursprung“ von Ayn Rand

„Der Ursprung“ von Ayn Rand

Rezension/Auseinander- und Zusammensetzung – oder besser:
Was hat dieses Buch mit mir gemacht?

Ein Buch mit über 1000 Seiten, schwerer und dicker als ein Ziegelstein. Erstaunlich, dass ich es innerhalb von 14 Tagen verschlang, denn es hatte mich gefesselt, getriggert und beschenkt. Ich hatte mich von der Geschichte und von der geistigen Welt Rands, wirklich mitnehmen lassen, mich darauf eingelassen. Es ist mir ein Rätsel, wie es ihr gelang, ihre Hauptprotagonisten, die mir im echten Leben wahrscheinlich sehr suspekt und eher unsympathisch gewesen wären, so zu beschreiben, dass ich neugierig wurde und es mir gelang, meine Wahrnehmung für deren Sichtweise und Werte zu öffnen, ich wollte diese Menschen verstehen. Auch hatte ich die Hoffnung, besser nachvollziehen zu können, wie Rand zu ihrer Wertephilosophie fand, die ich schon in ihrem Buch „Der freie Mensch“ (Atlas Shrugged) kennenlernen durfte und die in mir ein inneres Spannungsfeld erzeugte. Denn in der Essenz fand ich darin tiefe Wahrheit, die in Resonanz mit meinen eigenen Erfahrung stand und gleichzeitig war ich irritiert, da ich andere Aspekte ihrer Werte und Erkenntnisse völlig konträr zu meinen Überzeugungen empfand.

Die Protagonisten sind alle keine „Kleinen Leute“, sondern Genies, oder gesellschaftlich machtvolle Menschen – also eher „die da oben“ und nicht „die da unten“. „Die da unten“ tauchen nur als Randerscheinung auf, als Füllstoff, als die bekloppte, dumme, manipulierbare Masse. Man spürt ihre Verachtung, für die einfachen Menschen und ihr Blick reicht nicht so weit, auch da Unterscheidungen zu treffen, zu sehen, dass auch die nicht alle gleich sind.
Gleichzeitig lässt sie manche ihrer Helden und Genies auch aus der Gosse aufsteigen, womit sie sich selbst widerspricht.

An „denen da oben“, lässt sie aber auch keinen guten Faden, sondern zeichnet ein Bild, dass 95% davon Halunken, Verbrecher, Verräter und Schweinehunde sind, denen es um Macht und Geld geht und die dafür ihre Seele verkaufen, oder nie eine hatten.

Sie zeigt wunderbar auf, wie korrupt sich Gruppen, Organisationen und Institutionen aus solchen Sümpfen der Geltungssucht und eigenen Unfähigkeiten bilden. Wie innerlich klein, die äußerlich so großen Leute doch sind, wie unfähig zu lieben, oder glücklich zu sein.

Ich lernte, wie das Wesen eines Menschen beschaffen sein muss, der sich Zeit Lebens damit befasst, Intrigen zu spinnen und Fäden zu ziehen und aus dem Hintergrund Menschen, Ereignisse und Realitäten erschafft und lenkt, mit einer Skrupellosigkeit, die keine Grenzen kennt, mit dem Motiv, Macht über andere haben zu wollen. Oder die Menschen, die aus zweiter Hand leben, statt aus sich selbst heraus und sich eine glänzende Fassade erschaffen, auf Kosten anderer, die nur eine Mogelpackung ist.

Im Grunde ist das Buch voll, von genau solchen Machenschaften, es lebt von diesen hinterhältigen Ränkespielen, wo jeder den anderen benutzt und dabei süffisant lächelt, während das Messer im Verborgenen schon gezückt ist. Alle lügen und betrügen in einem fort, es gehört sozusagen zur Selbstverständlichkeit des gesellschaftlichen Lebens, der Salons, der Partys, des Geschäftslebens, des Familienlebens. Durch diese krasse Überzeichnung, durch diese perverse Art von „Normal“, erscheint jeder, der einmal nicht lügt, sofort als Held oder Heldin. So gelang es Rand, mir ihre Hauptprotagonisten, die ab und zu mal die Wahrheit sagten, doch sympathisch zu machen, im Vergleich zu dem Rest der Gesellschaft.

Durch dieses krasse schwarz/weiß malen, verlor ich als Leserin teilweise selbst den Bezug zur Realität. Plötzlich erschien mir ein psychisch kranker, wie Roak, der geniale Architekt, als erstrebenswertes Vorbild des MenschSeins. Und eine traumatisierte, gestörte Person wie Dominique, wie eine Heldin der Selbstbeherrschung.
Wenn ich das Buch zur Seite legte, fühlte ich mich wie nach einer Gehirnwäsche, die ich dann analysieren musste, um wieder zu meiner eigenen Klarheit und meinen Werten zurück zu finden.

Ein sehr spannender Prozess, für den ich sehr dankbar bin.

Ja, ich selbst strebte und strebe es an, aus mir selbst heraus zu leben. Ich wollte auch nie einfach etwas nachmachen, nachplappern, sondern MEINS machen und MEINS sagen können. Wie man mit so einer inneren Haltung an der äußeren Welt abprallt, die nur offen zu scheint für Wiederkäuer und Menschen, die aus zweiter Hand leben, habe ich oft genug am eigenen Leibe erfahren. Und ja, mir ist mein innerer Friede und mir selbst treu sein, wichtiger und wesentlicher als alles andere. Selbstverrat schmerzt mich mehr, als alles andere, weshalb ich mich dazu nicht drängen lassen will. Aber mir selbst treu zu sein, ist nicht der einzige Wert den habe, sondern nur der Wesentlichste. Verbundenheit mit der Natur und allem Leben, die Liebe für das Lebendige und Verständnis für Andere, ist ebenfalls ein wichtiger Wert für mich. Rands Helden haben etwas so skrupelloses, eiskaltes, unverbundenes an sich, sie schrecken weder vor Gewalt, noch vor Zerstörung, noch vor Lügen und Manipulation anderer zurück. An dieser Stelle, beginnt meine Reibung. Denn so möchte ich niemals sein und auch nicht werden.
Wenn das aber das Vorbild der Menschen „da oben“ von heute ist, würde das alles erklären, was mir bis eben noch unerklärlich schien.

Es ist faszinierend und bewundernswert, wie Rand die einzelnen Charaktere beschreibt, sie sind so lebendig und nachvollziehbar. Ein guter Psychologe hätte wohl seine Freude daran. Denn in diesem Buch kommt kein einziger psychisch gesunder Mensch vor, allesamt sind schwer traumatisiert und geschädigt und alle versuchen mit dieser Behinderung klar zu kommen, obwohl es keinem Einzigen bewusst zu sein scheint. Es kommt nie zur Sprache, dass es krankhaft ist, nichts davon wird analysiert – sondern vieles davon wird eher glorifiziert.
Kein einziger Mensch, scheint liebesfähig zu sein, weder zu sich selbst, noch zu anderen. Alles dreht sich um die Lust andere zu Verletzen, zu hintergehen und zu manipulieren, um sich selbst oder die Fassade des Selbst aufrecht zu erhalten. Dominique, eine der Hauptprotagonisten ist vordergründig damit beschäftigt, den zu verletzen und zu zerstören, den sie zu lieben meint, Roak. Und welch Wunder, er versteht das auch gut, sie sind sich da ganz und gar einig und tun sich gegenseitig weh. Ihre sexuellen Momente haben mit körperlicher Gewalt zu tun und werden gleichzeitig verherrlicht. Diese äußeren Kämpfe scheinen dem inneren Kampf zu dienen, sich selbst unverwundbar zu machen, seine Gefühle zu töten und stolz darauf zu sein, keine mehr zu haben.

Ich sehe durchaus, dass es all das gibt in unserer Welt und denke sogar, dass die psychisch kranken Menschen mehr und mehr zunehmen und es wirklich immer weniger gesunde, liebesfähige, integere Menschen gibt – aber die Welt, so wie Rand sie sieht, empfinde ich als hoffnungslos verloren.
Vielleicht ist es das, was sie mit dem Buch sagen will?

Es könnte durchaus sein, dass die Menschheit genau auf solch ein Szenario hinsteuert und sie uns mit diesem Buch davor warnen wollte und das schon vor 80 Jahren… Sind wir inzwischen bessere Menschen geworden?

Wahrscheinlich kommt es darauf an, mit welcher Brille und von welchem Blickwinkel aus man die Welt betrachtet. Es gibt eine Sicht auf die heutige Welt, die ich noch viel krasser und kränker und unmenschlicher empfinde, als die, die Rand beschreibt. Würde ich darüber einen Roman schreiben, würden die Menschen in 80 Jahren, falls es da noch welche gibt, sicherlich glauben, dass alles menschliche den Planeten längst verlassen haben musste und es die reine Hölle auf Erden war.
Das würde aber nicht der ganzen Wahrheit entsprechen.

Von Dystopie zu sprechen, im Zusammenhang mit „Der Ursprung“ halte ich für Quatsch, denn sie hat den Roman ganz klar als Gegenwartsliteratur angelegt und beschreibt den Zeitraum der 30er Jahre. Keine einzige Rezension zu „Der Ursprung“, die ich bisher gefunden hatte, hat diese Tatsache, dass es hier ausschließlich um kranke Psychen geht, auch nur erwähnt. Es wurde lediglich von einer Dystopie gesprochen. Das finde ich erstaunlich und irgendwie erschreckend.

Das erinnert mich an das Buch „Feuchtgebiete“ von Roche (2008), was millionenfach verkauft wurde, weil mit viel Geld, ein riesen Medienrummel orchestriert wurde und die meisten Rezensionen waren erfreut über dieses wunderbare Buch, die Menschen erkannten sich selbst darin wieder, es gab auch Kritiken, aber es gab niemanden, der das offensichtliche benannt hatte, dass die Protagonistin schwer an Geist und Seele geschädigt ist und die Art der Story genau dies verherrlichte. Und warum schreibt jemand auf diese Weise? Ist das ein Zeichen, dass die Autorin selbst geschädigt ist? Roches perverses Buch fand großen gesellschaftlichen Anklang, wurde sogar verfilmt.
Was für eine Gesellschaft ist das, die so etwas tut?

Und genau das fragte ich mich beim Lesen von „Der Ursprung“ die ganze Zeit. Wie geschädigt war Ayn Rand? Ich hätte sie gern mal persönlich getroffen, um mir ein Bild davon zu machen, um sie als Mensch zu sehen und zu verstehen. Im Moment kommt es mir so vor, als hat sie versucht durch ihre Bücher, ihre eigene kranke Psyche zu rechtfertigen. Was nur natürlich ist. Wenn Selbstzweifel als negativ empfunden werden, sowie Liebe zur Natur, oder Liebe zu Menschen als unangemessen dargestellt werden und Gefühle zu haben als Charakterschwäche interpretiert wird.

Verwundert hat mich, dass der Plot im Grunde ganz ähnlich war, wie bei ihrem Buch „Der freie Mensch“ (Atlas Shrugged). Es gibt in beiden Büchern jeweils eine besondere Frau, die Heldin, mit der sich Rand vielleicht selbst assoziiert, zumindest könnte man das annehmen, nach ihrer Biografie zu urteilen.
Dann gibt es 3 Männer, mit denen diese Frau ein Verhältnis hat und einer davon ist das absolute Genie – der Übermensch sozusagen, die anderen braucht es nur, um Leid, Verrat und Selbstkasteiung zu erfahren und das gesellschaftliche Spiel zu bedienen.
Am Ende stellen die Männer, die im Grunde größte Feinde sein müssten, fest, dass sie sich menschlich mögen und achten, weil sie doch vom gleichen Schlag sind.

Ich würde dieses Buch jedem empfehlen, der Einblicke sucht, in die Hinterzimmer und Keller der Oberschichten. Denn durch Rands lebendige Beschreibungen konnte ich, egal wie brutal und gestört diese Geschichten sind, sehr vieles sehen und verstehen und erkennen – was mir zuvor eher ein großes Rätsel war. Wie es sein kann, dass es solche Menschen, solche Charaktere, solche Machenschaften überhaupt gibt… Dieses Verständnis wurde mir durch diese Geschichten ermöglicht.

Unsere Welt ist wohl unter anderem deshalb so korrupt und kaputt und voller Kriege, weil es zu viele machtvolle Menschen gibt, die solche Art von Störungen haben, wie Rand sie beschreibt. Auch wenn sie niemals von Störungen spricht, oder von psychisch Krankhaften, für sie scheint es das Menschliche zu sein, was die Menschen so unmenschlich macht. Es wird nicht so ganz klar, denn dazu gibt es auch widersprüchliche Aussagen.
Denn sie sagt auch klar, ein Mensch ist nur der, der aus sich und für sich selbst lebt, niemals durch und für andere.

Mein Gefühl ist, dass Rand selbst eine große Freude an intriganten Spielen haben musste, sonst wäre sie sicher nicht fähig gewesen, das detailliert zu beschreiben, als drehe sich ein Menschenleben nur um diese Machenschaften auf der Bühne einer perversen Welt, wie ein Tanz, der Befriedigung verschafft.

Deutlich wird, dass sie die Menschheit als verkommen betrachtet. Um über diesen Verkommenen stehen zu können, was ihr sehr wichtig zu sein scheint, bleibt einem nur, sich hart und unverletzbar zu machen, auch wenn man damit andere vor den Kopf stößt, andere verletzt, selbst ungerecht und brutal und hinterhältig wird… Denn das ist dann einzig und allein den anderen ihre Verantwortung, weil sie sich noch nicht genug gepanzert haben, um keine Schmerzen mehr zu spüren. Ein würdiges Gegenüber ist nur der Mensch, der niemals Verletztheit zeigt, egal, was ihm angetan wird, ob von der „Welt“ oder von dem Menschen, den man zu lieben meint – Unberührbarkeit steht über allem.

Deshalb auch der Test, ob ihr Geliebter aufrecht bleibt, egal was sie ihm weltlich, geschäftlich und persönlich antut und er verfährt mit ihr auf gleiche Weise. Das Happyend kommt, nachdem Dominique bewiesen hat, dass sie zu ALLEM fähig ist und vor nichts zurück schreckt. Sie lässt ihre Helden siegen und somit auch den neuen Baustil, der völlig ohne das, was man bis dahon als Schönheit empfand, auskam. Am Ende sind Dominique und Roak vereint, weil sie sich selbst und die alte Welt überwunden haben. Geblieben ist zwar Inegrität, jedoch nur durch reine, kalte Selbstermächtigung.

Bei einem gesunden Menschen, erwächst die Integrität aus Selbstliebe, Verbundenheit und Selbstermächtigung. Integrität ohne Verbundenheit und Liebesfähigkeit ist nichts weiter, als eine goldene Rüstung. In einer Welt, die voller Neid und Feindschaft ist, kann man sich damit schützen. Mit dieser Rüstung ist man nicht manipulierbar und erpressbar. Dadurch wird man zur Gefahr für alle die, denen es an Integrität und innerer Führung mangelt. Von denen werden sie gehasst und bekämpft.
Wenn man das zu Ende denkt, muss der integere Mensch sich vielleicht abspalten, um zu überleben, so, dass er am Ende unmenschlich wird, ohne jedes Gefühl. Vielleicht ist es das, was Ayn Rand wiederfahren ist?

Und ja, es ist wunderbar, wenn man es schafft, so viel Selbstdisziplin aufzubringen, um der Mensch zu werden, der man gerne sein möchte. Nur scheint mir das Ziel, was Rand mit ihrem Menschenbild anstrebt, ungeeignet, um eine bessere Welt zu erschaffen. In einer Welt gefüllt mit rein rationalen Menschen wie Dominique und Roak, möchte ich nicht leben.

Um es auf den Punkt zu bringen: für mich fühlt es sich so an, als ob Ayn Rand in ihrem Menschenbild, ihrer Philosophie, das Beste und Erstrebenswerteste des Menschen – eine gesunde, liebevolle Integrität, in einen Topf schmeisst mit etwas Krankem und Unmenschlichen, mit dem, was sich (vielleicht seit 80 Jahren) ausbreitet wie die Pest – der kranke Egoismus.

Betrachtung der beiden Glaubenssätze:

„Das Leben macht nur Sinn, wenn man jemanden hat, für den es sich zu leben lohnt!“
und
„Ich lebe nur für mich, niemals für jemanden anderen und ich will auch nicht, dass jemand für mich lebt!“

Mit dem ersten Glaubenssatz bin ich selbst aufgewachsen, er hat mich geprägt. Eltern leben für ihre Kinder, Kinder für ihre Eltern, Geliebte für ihre Geliebten, Ehrenamtliche Mitarbeiter für ihr Ehrenamt, der Priester lebt für seine Herde, die Kindergärtnerin für ihre Kinder, der Arzt für seine Patienten usw.
Mir schien das, das Normalste von der Welt und in der Tat, fragte ich mich, was wäre, wenn es niemanden auf der Welt gäbe, keinen Menschen, den ich liebe, für den ich gern da sein will, mit dem ich leben will, dann wäre doch mein Leben sinnlos.
Viele Jahrhunderte prägte uns wohl diese Art zu denken und deshalb schämte mich sehr, als ich mit ca. 24 Jahren in meinem Inneren fest stellte, dass ich mir auch selbst genug sein könnte. Meine Selbstwahrnehmung und meine Wahrheit passte nicht mehr zu der, von der Gesellschaft und den meisten Menschen als selbstverständlich angenommenen Grundthese. Dass ich einfach für mich selbst und die Entfaltung dessen, was durch mich gelebt und erschaffen werden möchte leben möchte, schien nicht genug, schien negativ egoistisch.
Gleichzeitig hatte ich niemals ein so radikales Gefühl, wie uns der Glaubenssatz von Ayn Rand suggeriert. Doch gab mir dieser Satz irgendwie die Berechtigung, zu meiner Wahrnehmung zu stehen und mich nicht mehr dafür zu schämen.

Dennoch glaube ich zutiefst, dass weder der eine, noch der andere Glaubenssatz sinnvoll und gesund ist, für das menschliche Leben. Es sind lediglich die zwei extremen Pole, die beide in die Irre führen.
Ohne das Benennen und Erkennen der beiden Pole, scheint es aber unmöglich den goldenen Mittelweg zu beschreiben und zu beschreiten.
Insofern empfinde ich Rands Standpunkt hilfreich, als Gegenpol zu dem bisher Geglaubten, es eröffnet den Raum dazwischen, in dem lebendiges, stimmiges, verbundenes Leben in Selbstermächtigung erwachsen kann.

Ein kleiner Anhang zum Thema Architektur:

Wir erfahren auch einiges über die Architektur der 30er Jahre, da Roak, der Held der Geschichte, der als Architekt mit Leib und Seele beschrieben wird, gegen die herkömmlichen Baustile ankämpft. Sie beschreibt seine tiefe Verachtung für alle Architekten, die ihre Ideen aus zweiter Hand kopieren und sämtliche Baustile der Vergangenheit wahllos zusammenwürfeln. Er sah darin keinen Sinn und Zweck, denn all der Prunk und die mit Skulpturen, Ornamenten und stilistischen Elementen überladenen Fassaden und Innenräume, dienten seiner Meinung nach nur dem Prestige der Besitzer und nie dem Sinn und Zweck des Gebäudes. Roak wollte für das Wesentliche, das Praktische, das Sinnvolle bauen und gestalterische Elemente aus anderen Zeitepochen waren für ihn ein Gräuel, genauso wie jede Art der Verzierung. Es passte ihm nicht, dass ihm während seines Studiums alles Wissen über die Baustile der Vergangenheit vermittelt wurde und die einzige Aufgabe der Architekten darin zu bestehen schien, diese Baustile zu vermischen und auf die Entwürfe der neuen Gebäude anzuwenden. Da er sich strikt weigerte das zu tun und seine Entwürfe frei von jeglichen bekannten Baustilen und verzierenden Elementen waren, verwies man ihn der Universität und er konnte sein Studium nicht abschließen. So einen Architekten wollte man derzeit nicht haben, denn ein Gebäude galt nur dann als großartig, wenn es möglichst viele Elemente der alten Baukünste aufweisen konnte.

Etwas Neues, ein neuer Stil, wie er ihn in seinem Inneren spürte und zum Ausdruck brachte, wurde geächtet, herabgewürdigt und bekämpft. Es gab nur einen Menschen, der es vor ihm schon gewagt hatte, sich nicht an die üblichen Methoden der Architektur zu halten und von der Gesellschaft geächtet wurde, er diente ihm als Vorbild.

Da Roak ein von seinen Gefühlen abgespaltener Mensch war, rein rational und zielorientiert und praktisch, kann ich gut verstehen, dass sein Baustil sich durch Klarheit und Kargheit im Detail auszeichnete.
Mit der Bauweise, die man auch „Art deco“ nennt, brach in den 30er Jahren ein neues Zeitalter an. So gut die ersten Häuser dieser Epoche auch teilweise noch waren, haben sie doch den Weg bereitet, für die heutige Bauweise, die weder schön, noch sinnvoll, noch langlebig ist. Die Folge davon ist wohl der „Bauhaus-Stil“, Minimalismus pur, kalte Berechnung, an dem nichts liebevolles oder kunstvoll, kreatives mehr zu finden ist.

Dies ist aber unter anderm auch dem sozialen Wohnungsbau geschuldet, der sich in den USA in den 30er Jahren entwickelte, in Deutschalnd hielt er schon in den 20er Jahren Einzug. Er hatte zur Aufgabe, viele, möglichst billige Wohnzellen zu schaffen, die leicht zu pflegen sind und wenig Nebenkosten erzeugen. In dem bisherigen Prunkbaustilen, hätte man diese Herausforderung nicht bewältigen können.

Heute zählen wir diese Prunk-Gebäude aus den Zeiten vor 1920, zu Teilen der „alten Welt“ und es gibt viele Menschen die über die damaligen BAuleistungen staunen, mich eingeschlossen. Manche meinen, dass es eine komplett andere Menschheit gewesen sein muss, die in der Lage war, solche prächtigen, kunstvollen Bauten zu errichten. Denn niemand kann sich mehr vorstellen, dass wir heute, trotz mehr Technologie dazu in der Lage wären. Dazu gehören auch die oft großartigen Bauten der vielen Weltausstellungen bis in die 1920er Jahre – deren Bilder wir heute ehrfürchtig bestaunen.

Nach „Der Ursprung“ erstaunt es mich nun viel weniger – es wird regelrecht greifbar, was mit der Menschheit und damit auch mit der Welt und dem Baustil geschehen ist.

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