Die Gewohnheit der drei Mahlzeiten

Die Gewohnheit der drei Mahlzeiten

Ist das gesund und war das schon immer so?



Die meisten von uns nehmen es als gegeben hin: Drei Mahlzeiten am Tag sind nicht nur normal, sondern scheinbar auch notwendig. Doch ist das wirklich so? Und war es schon immer Teil des menschlichen Lebens, dreimal am Tag zu essen? Diese Fragen sind spannender, als sie auf den ersten Blick erscheinen.

Ich selbst hatte vor Jahren realisiert, wie sehr mich diese Konvention belastete. Das Einhalten der drei Mahlzeiten empfand ich als stressige Pflicht. Besonders als Mutter war ich gefangen in der Vorstellung, eine gute Mutter sorge durch feste Mahlzeiten für ihre Familie. Ich hatte also einen inneren Konflikt und machte etwas, wovon ich nicht überzeugt war, nur aus Pflichtgefühl, auch wenn ich selbst gar keinen Hunger hatte. Das fühlte sich irgendwann nur noch falsch an. Dieses gesellschaftliche Programm, konnte doch nicht mein Verhalten bestimmen…

Schon als Kind musste ich essen, selbst wenn ich keinen Hunger hatte, und später beobachtete ich das gleiche bei meinen Kindern. Sie aßen oft mir zuliebe – aus Pflicht, nicht aus Hunger. Mir wurde klar, dass scheinbar Essen und Kontakt miteinander verknüpft waren. Das gemeinsame Essen war nicht nur ein Ritual, sondern eine unausgesprochene Erwartung, nach dem Motto: „Ich habe extra für dich gekocht und es verletzt mich, wenn du jetzt deinen Teller nicht auf isst.“ Oder eine Form von Übergriffigkeit, dass Mütter zu wissen glauben, was und wieviel ihre Kinder essen müssten, ohne die Bedürfnisse des Kindes überhaupt zu beachten.
Doch auch hier trägt die Gesellschaft Schuld, die letztendlich diese Vorgaben machte und sie von den Müttern und Frauen einforderte. Das fing schon bei der Mütterberatung an, dass man sein Baby nach Zeitplan füttern musste und nach genau bemessener Menge, statt nach Bedürfniss. Weshalb die Flaschenfütterung auch beliebter war, als das Stillen, denn dann wusste die Mutter, sie hatte alles richtig abgemessen, nach Vorschrift.

Um mein Kind zum Essen zu motivieren, haben wir oft gebastelt… Auch wenn es früher hieß: Mit essen spielt man nicht 🙂

Bei meinem ersten Kind 1988, glaubte ich, eine gute Mutter sein, heisst, den Zeitplan und die Vorschriften einzuhalten. Da ich gestillt hatte, war das schwierig zu beweisen, wieviel Gramm mein Baby bei jeder Mahlzeit getrunken hatte. Man sollte sein Kind dann immer wiegen und das genau ausrechnen. Heute denke ich, was für ein Wahnsinn und was für eine Untergrabung des natürlichen Mutterinstinks. Nicht dem eigenen Gefühl vertrauen, nicht der Intuition, sondern den Vorschriften, wie absurd sie einem auch erscheinen mögen, die sind auf jeden Fall richtig.

Meine zweite Tochter wurde 2003 geboren, da hatten sich die Ansichten, vor allem in alternativen Kreisen völlig verändert. Alles was beim ersten Kind noch Vorschrift war, galt nun als Todsünde und das innerhalbt von 14 Jahren.
Dadurch wurde mir bewusst, dass nur ich selbst wirklich fühlen kann was richtig ist und egal, was die Gesellschaft vor schreibt, ich folge meiner eigenen Wahrnehmung.

Essen als gesellschaftliches Programm

In unserer Kultur spielt das Essen eine zentrale Rolle, insbesondere bei festlichen Anlässen. Kochen, Backen und gemeinsame Mahlzeiten sind oft der Kern von Feierlichkeiten. Doch was würde passieren, wenn wir das Essen bei solchen Gelegenheiten einfach weglassen? Was würden die Menschen dann tun? Wie würde sich die Vorbereitung auf Feste verändern? Diese Gedanken eröffnen spannende Perspektiven: Plötzlich wäre Zeit für Gespräche, kreative Projekte, Spiele oder einfaches Zusammensein.

Meine persönlichen Erfahrungen

2006 war ein Wendepunkt für mich, meine Tochter war damals drei Jahre alt. Ich beschloss, nicht mehr alles „nach Programm“ zu machen, mit dem Essverhalten fing ich an. Der erste Schritt: Ich richtete ein kleines Schränkchen in der Küche ein, gefüllt mit Snacks, die mein Kind mochte. Von Apfelstückchen über Zwieback bis hin zu Joghurt und Nüssen, Tee und Milch war alles dabei. Davor stellte ich eine kleine Fußbank, so dass sie dort gemütlich sitzen und essen konnte. Die Botschaft an meine Tochter war klar: „Bedien dich selbst, wann immer du Hunger hast!“ Sie war begeistert und das Ergebnis war erstaunlich: Sie entwickelte Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, und ich gewann Zeit und Ruhe. Unsere Beziehung wurde entspannter, weil Essen nicht mehr als Mittel zur Kontaktaufnahme missbraucht wurde. Am Abend hatten wir dann beide Lust und Hunger, gemeinsam etwas leckeres zu essen. Diese neue Freiheit zeigte mir, wie viele andere Programme in meinem Leben ebenso hinterfragt werden könnten.

Die Historie der drei Mahlzeiten

Interessanterweise ist das Konzept der drei Mahlzeiten, historisch betrachtet, relativ jung. Zunächst war dies ein Luxus, den sich nur wohlhabende Schichten leisten konnten. Für die einfachen Leute entwickelten sich die drei Mahlzeiten während der Industrialisierung, als die Arbeitszeiten in Fabriken feste Pausen und Strukturen erforderten. Für die Landbevölkerung war es üblich, nur ein oder zwei Mahlzeiten am Tag zu sich zu nehmen. Mit steigendem Wohlstand in der westlichen Welt etablierte sich das dreimalige Essen jedoch als Standard.

Die Lebensmittelindustrie spielte dabei eine entscheidende Rolle. Kampagnen wie „Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages“ stammen nicht aus wissenschaftlichen Studien, sondern aus Marketingstrategien für Cornflakes-Kampagnen. Zusätzliche Zwischenmahlzeiten wurden beworben, um den Konsum weiter zu steigern. Was als gesellschaftliche Norm erschien, war also oft wirtschaftlich motiviert. Heute sind Zwischenmahlzeiten und Snacks ein riesiger Markt.

Essen als Belohnungsprogramm: Warum wir in stressigen Momenten nach Snacks greifen

Ich habe selbst oft die Erfahrung gemacht, dass mein Drang nach Essen besonders dann stark wurde, wenn ich mich in einem Umfeld befand, das ich nicht selbst gewählt hatte – sei es ein anstrengendes Angestelltenverhältnis oder eine Situation, in der ich mich nicht selbstbestimmt fühlen konnte. Oft war es nicht der wirklicher Hunger, sondern eher das Bedürfnis nach einem kurzen Moment der Belohnung, nach etwas, das mir Freude und eine kleine Auszeit von der Routine verschaffte.

In meiner damaligen Arbeitswelt, in der das Essen während der Arbeitszeit oft verboten war, erlebte ich, wie der Wunsch nach einer Pause und der damit verbundene Snack zu einer Art Lebensretter wurden. Manchmal fühlte es sich fast so an, als müsse ich meine „Energiespeicher“ durch einen schnellen Bissen aufladen, um überhaupt weiter durchzuhalten.

Doch wie sich herausstellte, war das Problem nicht die Nahrung, sondern die fehlende Selbstbestimmung in der Arbeit. Heute, wo ich selbst wähle was ich ich wie und wann tue, hat sich dieses Bedürfnis nach Pausen und Snacks völlig verändert. Ich bin so motiviert und fokussiert, dass ich es manchmal als störend empfinde, eine Pause machen zu müssen. In solchen Momenten empfinde ich keine Lust auf Essen und merke, dass ich von der Arbeit selbst so genährt werde, dass ich keinerlei äußere Belohnung brauche.

Die Kraft von selbstbestimmten Tätigkeiten

Es scheint, als ob unsere Energiequellen stark davon abhängen, wie selbstbestimmt und mit Freude wir unsere Tätigkeiten ausführen. Wenn wir kreativ und motiviert in einer Aufgabe aufgehen, scheint unser Körper auf eine ganz andere Weise aufgeladen zu werden – nicht durch Snacks, sondern durch die intrinsische Freude an dem, was wir tun.

Im Gegensatz dazu, wenn wir in Umfeldern agieren, in denen wir uns fremdgesteuert und energielos fühlen, greifen wir nach dem, was uns kurzfristig tröstet – oft sind es ungesunde Nahrungsmittel, wie Fastfood oder Süßigkeiten. Diese erscheinen dann als Belohnung für das Durchhalten, für das „Gut-Funktionieren“ unter Druck. Doch diese Art der Belohnung hat ihren Preis, denn sie führt nicht nur zu einer vorübergehenden Erleichterung, sondern kann wie eine Sucht werden, ein neues ungesundes Programm.

Selbstbestimmung als Schlüssel zu innerer Energie

Die wahre Energiequelle, die uns zu Höchstleistungen antreibt, liegt nicht in einer Schokoladentafel oder einem Burger, sondern in der Freiheit, unsere Tätigkeiten selbst zu wählen und sie mit Begeisterung zu erfüllen. Wenn wir uns selbstbestimmt in den Dingen engagieren, die uns Freude bereiten, ist unser „Energiebedarf“ eine andere – tiefere Art von Nahrung, die weit über das bloße Füllen des Magens hinausgeht.

Fazit: Statt Essen als Belohnung für das Überstehen eines tristen Arbeitstags zu betrachten, sollten wir uns überlegen, wie wir mehr selbstbestimmte Tätigkeiten in unser Leben integrieren können, die uns mit echter Energie und Freude versorgen. Denn diese Art von „Nahrung“ ist nicht nur gesünder, sondern auch nachhaltiger.

Gesundheitliche Aspekte von Essgewohnheiten

Die Wissenschaft zeigt, dass das Essen aus Gewohnheit – ohne echtes Hungergefühl – gesundheitliche Risiken birgt. Es kann zu Übergewicht, Stoffwechselstörungen und einem gestörten Hunger-Sättigungs-Verhalten führen. Intermittierendes Fasten, also längere Pausen zwischen den Mahlzeiten, zeigt hingegen positive Effekte auf Stoffwechsel und Zellregeneration.

Intuitives Essen, bei dem man nur dann isst, wenn man wirklich Hunger hat, ist ein vielversprechender Ansatz. Es erfordert jedoch ein Umdenken, da kulturelle Normen tief in unseren Alltag eingebettet sind. Es geht darum, auf den eigenen Körper zu hören und gesellschaftliche Erwartungen zu hinterfragen.

Neue Formen des Essens

In den letzten Jahren habe ich beobachtet, wie sich Essgewohnheiten verändern. Immer mehr Menschen entwickeln individuelle Ernährungsweisen, sei es aus gesundheitlichen oder ethischen Gründen. Allergien, Unverträglichkeiten und spezielle Diäten machen es schwer, gemeinsame Mahlzeiten zu organisieren. Stattdessen entstehen neue Formen des Zusammenkommens: Jeder bringt etwas mit, kocht selbst oder schließt sich spontan einer kleinen Gruppe an. Dies führt zu mehr Selbstverantwortung, aber auch zu einem neuen Chaos, das gemeinsames Essen oft komplizierter macht.

Ich bin gespannt, wohin uns diese Entwicklungen führen werden. Vielleicht schaffen wir es, den Fokus von Mahlzeiten auf andere Formen des Kontakts und Zusammenseins zu verlagern. Die nächsten Treffen hier, im „Paradies-Auenland“, werden sicher wieder neue Erfahrungen bringen.

Einladung zur Reflexion

Wie sehen deine eigenen Essgewohnheiten aus? Hast du dich schon einmal gefragt, ob du wirklich dreimal am Tag essen musst? Ich glaube, dieses Thema ist ein tiefes Forschungsfeld, das unser Leben in vielerlei Hinsicht berührt. Schreib mir gerne deine Erfahrungen und Gedanken dazu – ich freue mich auf den Austausch!

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3 Gedanken zu „Die Gewohnheit der drei Mahlzeiten

  1. Hallo Grit, danke für den Artikel. Ja mir geht es körperlich und geistig besser wenn ich nur esse wenn ich Hunger habe. Wenn ich intensiv beschäftigt bin verspüre ich keinen Hunger. Bin ich jedoch im Zustand von Antriebslossigkeit esse ich mehr. Die Gründe hast du gut beschrieben. Werde achtsamer damit umgehen und darauf achten wie es sich entwickelt. LG.Thomas

  2. Hallo Grit,
    ich freue mich gerade sehr, „zufällig“ deinen Blog entdeckt zu haben. Eigentlich hatte ich vorhin deinen Fotoband „Das Tor ins Leben“ nochmal in der Hand, den ich schon seit einigen Jahren habe. Da habe ich am Ende des Buches deinen Gedichtband entdeckt und eigentlich nur nachsehen wollen, wo ich ihn kaufen kann :). So entdeckte ich über eine andere Webseite Links von dir, klickte neugierig darauf und landete hier :). Ich habe im Februar 2019 einen für mich wegweisenden Tantrakurs bei Helfried besucht und er hatte mir damals deine Kontaktdaten gegeben. Wenn ich mich richtig erinnere, ging es um das Achten auf die eigene Intuition, da hatte ich damals noch große Probleme. Als ich mich ab Ende 2019 dann verstärkt mit den Themen Weiblichkeit, weibliche Sexualität und Yoni beschäftigte, begegnete mir dein Fotoband :). Ich habe 2021 auch einen Artikel über das Ansehen meiner Yoni geschrieben. Walentina Sommer gab mir später grünes Licht für die Veröffentlichung auf dem Blog des LebensGut-Verlages. Bin ich bis heute sehr stolz darauf :).

    Jetzt hab ich geplaudert, aber ich wollte einfach erzählen, wie lange mich dein Name schon begleitet.

    Zum Essen – Wie passend, diesen Artikel gerade intuitiv aufgerufen zu haben. Diese leidigen 3 Pflichtmahlzeiten… Mir sitzt das auch in den Knochen. Keine Zeit für meine eigene Kreativität und die Umsetzung meiner Ideen zu haben, ist mir von Kindesbeinen an vertraut. Bis heute überfällt mich fast täglich eine sehr hartnäckige Angst, keine Zeit für mich zu haben, da ich ja z. B. kochen und essen „muss“. Das kostet richtig Kraft, dagegen zu steuern. Und das, obwohl ich sehr gerne und am liebsten in Gemeinschaft esse. Das habe ich bei meinen Besuchen im ZEGG besonders deutlich gespürt :).

    Ich war früh für viele Aufgaben im Haushalt (mit)verantwortlich, in meinen 20ern übernahm ich für einige Jahre dann sogar die Mutterrolle, mit fast allem drum und dran. Es musste sein… Auch ich war damals völlig überzeugt davon, dass ich mich dabei komplett selbst aufopfern müsse…

    In den letzten rund 2,5 Jahren habe ich aber nach und nach gemerkt, wie gut es mir tut, wenn ich nicht koche, sondern z. B. Restaurants besuche oder Essen bestelle. So werde ich nicht in meinen Arbeiten unterbrochen, habe keinen Abwasch, muss nicht täglich daran denken, was ich esse usw. Eine enorme Erleichterung in vielerlei Hinsicht!

    Hab es gut, liebe Grit, und Danke für deine Arbeit! Ich komme zum Stöbern wieder 🙂
    Beste Grüße aus der Lausitz
    Kirsten

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