Diagnosen sind nicht immer gute Ratgeber

Diagnosen sind nicht immer gute Ratgeber

Wie ich durch Unwissenheit in Ruhe heilen konnte

Durch besondere Umstände, bekam ich, nach einem krassen Sturz auf den Rücken, erst sieben Wochen später die Diagnose (Becken kreuzweise gebrochen, zwei Lendenwirbel gebrochen, Steißbein gebrochen). Doch inzwischen war ich schon von Paraguay nach Deutschland zurück gereist und hatte sogar vorsichtig und unter Schmerzen meinen Garten bestellt. Außer Dinge anheben, konnte ich fast alles machen, ganz langsam und mit Bedacht. Ich war auch Rad gefahren, weil laufen einfach schwierig war… Und ich dachte die ganze Zeit: „Das wird schon wieder!“

Direkt nach dem Sturz ging es mir so schlecht, dass mir eine längere, polterige Fahrt im Jeep, zum nächsten Krankenhaus in Paraguay, unvorstellbar schien. Ich wollte einfach nur in Ruhe liegen.

Nach zwei Tagen bewegte ich mich schon wieder sehr vorsichtig und hatte das Gefühl, mein Körper schafft das schon zu heilen. Nach einer Woche konnte ich sogar wieder sitzen, auch wenn es weh tat. Das Laufen fühlte sich sehr instabil an, aber es war möglich, auch wenn ich recht langsam lief. Jeder Schritt wie im QiGong.

Nach zwei Wochen reiste ich nach Deutschland zurück und war frohen Mutes, denn es wurde von Tag zu Tag deutlich besser.
Familie und Freunde drängten mich, doch wenigstens JETZT mal zum Arzt zu gehen, man müsse doch schließlich wissen, was da eigentlich los ist. Könnte ja was Schlimmes sein.
Ich hatte gar keine Lust, das untersuchen zu lassen. Wenn ich nur daran dachte… Schon allein die Arztsuche würde sich schwierig gestalten, weil ich keinen Hausarzt hatte, zu dem ich gehen konnte.
Außerdem dachte ich, solange ich mich halbwegs bewegen kann, konnte es ja wohl nichts Ernstes sein. Es wurde ja langsam besser. Und dass es oft höllisch weh tat und jeden Tag woanders, dass ich mich nur sehr eingeschränkt und vorsichtig bewegen konnte – das war ja sicher ganz normal, nach so einem Sturz.

An manchen Tagen ging es mir schon viel besser und ich dachte, JETZT ist es fast überstanden, doch kurze Zeit später, reichte ein Husten, um mir wieder höllische Schmerzen zu machen. Es war ein ständiges Auf und Ab und das verunsicherte mich dann doch. Denn nun war der Unfall schon vier Wochen her und ich war noch nicht schmerzfrei und bewegte mich noch immer wie ein rohes Ei.

Ich musste auch an den Unfall mit meiner Schulter denken, das war vor vier Jahren – damals war die Diagnose „Bänderriss“ und man sagte mir, dies kann, muss aber nicht operiert werden. Jede OP die nicht nötig ist, wollte ich natürlich vermeiden. Damals quälte ich mich ein dreiviertel Jahr mit unerklärlichen, heftigen Schmerzen, bis ich mich dann doch für eine OP entschied. Erst dabei stellte sich heraus, dass ein Knochensplitter in die Gelenkspalte gerutscht war und dort sein Unwesen trieb. Das war der Grund für die heftigen Schmerzen, nicht der Bänderriss, doch man hatte es auf dem MRT nicht gesehen.
Danach ließ der Schmerz nach und ich war sehr dankbar, dass mir mit einer OP geholfen werden konnte.
Deshalb dachte ich nun, falls es diesmal ähnlich ist und doch etwas kaputt ist, was von alleine nicht heilen kann, dann sollte ich die Sache doch lieber mal röntgen lassen.

Doch so einfach war das gar nicht. Es war kein zeitnaher Termin bei einem Facharzt zu bekommen und ein Notfall läge ja nicht vor. Denn ich sagte ganz ehrlich, dass der Sturz bereits vor 4 Wochen gewesen war. Nach vielem hin und her riet mir eine Sprechstundenhilfe, doch in die Notaufnahme in Weißenfels zu gehen und die Sache dort zu erklären. Ich hatte auch wieder sehr akute Schmerzen, weil ich versucht hatte, eine 5 Liter Gießkanne zu heben.

Ich rief dort an. Mir wurde gesagt, ich solle gleich vorbeikommen. Gesagt, getan. Es war nur ein Patient in diesem riesigen Wartesaal der Notaufnahme.
Als mich der Arzt rief, humpelte ich durch den langen Raum und er sagte: „Ein bißchen Beeilung bitte!“ Ich war schockiert. Im Untersuchungszimmer angekommen, schloss er die Tür und bluffte mich an: “Sagen sie mal, was machen sie hier in der Notaufnahme, wenn der Unfall 4 Wochen her ist? Was haben sie hier zu suchen?!“ Er war sichtlich wütend und erregt. Ich war erschrocken. Versuchte ihm die Lage zu erklären, doch er hörte nicht zu. Er meinte, dass hier nichts geröntgt werden müsse, denn ich würde ja schon wieder laufen! Er kann mir Schmerztabletten verschreiben… Mir war regelrecht übel geworden und ich wollte nur noch weg da. Mein Anliegen war es, die Sache mal zu röntgen, um zu sehen, ob etwas nicht stimmte – ansonsten wollte ich gar nichts haben. Da er nicht bereit war, mich zu röntgen, drehte ich mich einfach um und verließ den Raum.
Ich fühlte mich wie ein geschlagener Hund und ich ärgerte mich, dass ich überhaupt nach ärztlicher Hilfe und Rat gesucht hatte.

Doch zwei Wochen später gab es wieder eine ganz akute Schmerzphase, so dass ich mich entschied, zu einem privaten Facharzt zu gehen, bei dem ich sofort einen Termin bekam.
Verrückt, dachte ich… Da zahle ich jeden Monat viel Geld in die Krankenkasse und gehe fast nie zum Arzt und jetzt, wo ich mal Hilfe brauche, bezahle ich auch noch den Arzt selber, weil kein anderer einen Termin frei hat.

Der Arzt war freundlich, es war wirklich anders in dieser Praxis, als ich es sonst kannte – Freundlichkeit und Ruhe.
Gern kam ich seiner Aufforderung nach, die ganze Geschichte zu erzählen. Das tat schon mal gut. Er untersuchte mich ausführlich und meinte, es müsse unbedingt ein MRT gemacht werden, denn solange man nicht weiß, wie die Lage ist – könnte jede Therapie kontraproduktiv sein. Doch ich wusste schon, dass man einen MRT Termin erst in neun Wochen bekommen konnte, denn da hatte ich mich schon erkundigt…
Der Doktor besorgte mir allerdings sofort einen Termin. Lediglich eine Überweisung von einem Kassenarzt musste noch her, doch das habe ich dann geschafft, denn es musste kein Facharzt sein.

Am nächsten Tag, nach dem MRT Termin, rief mich der Doktor an, weil er meinen Befund in den Händen hielt. Er meinte, ich solle mich hinsetzen… Steißbein gebrochen, zwei Lendenwirbel gebrochen, 4. und 5. Lendenwirbel haben alte Frakturen und es bestehe Verdacht auf Osteoporose. Er meinte, das wäre eine OP Signifikation und ich solle in die Notaufnahme der Uniklinik Leipzig gehen. Puh, ich war verwirrt. Ich fragte mich, was die da wohl operieren wollen?

Mir war wirklich nicht wohl. Mir wurde gesagt, ich sollte gleich eine Tasche dabei haben, falls die mich gleich dort behalten. Die Tasche ließ ich aber im Auto.
Meine letzte Erinnerung an Notaufnahme lag mir noch im Magen. Da wurde ich weg geschickt und nun sollte ich plötzlich damit rechnen, dass eine OP nötig wäre?
Die Ärztin die mich untersuchte war sehr verständnisvoll und ich fühlte mich gut aufgehoben. Es wurden noch viele Röntgenbilder von der Hüfte gemacht und ein CT.
Danach wurde mir erklärt, dass auch die Hüfte gebrochen ist, einmal längs und einmal quer, also kreuzweise. Das Ganze wäre erstaunlicher Weise nicht verrutscht. Diese neue Nachricht entlockte mir nur noch ein: „Aha…“

Plötzlich war das mit den Wirbelbrüchen gar nicht mehr so wichtig, sondern der Fokus der Ärzte lag nun auf der Hüfte. Das müsse man zusammen schrauben, damit das wieder stabil wird.
Aber die Tatsache, dass ich nun schon sieben Wochen damit herum laufe und nichts verrutscht ist, war ein gutes Argument, dass es doch so gefährlich nicht sein kann.
Nun kam mir auch der Verdacht auf Osteoporose zu Hilfe, denn wenn die Knochendichte tatsächlich nach lässt, dann wäre eine Verschraubung eher gefährlich. Wenn die Schrauben und Platten am Ende härter sind, als der Knochen, dann machen sie die Knochen doch ganz kaputt.

Ich entschied mich also gegen eine OP, weil es auf der Hand lag, dass mein Körper sich selbst heilen kann und heilen wird und dies schon seit sieben Wochen tat, ohne Unterlass.
Dass diese Heilungsprozesse schmerzhaft waren und teilweise noch sind und es auch mal Rückschläge gab, das ist doch ganz normal. Auch nach einer OP muss der Körper sich erholen und anpassen und die ganze Fremdeinwirkung verarbeiten, was meiner Meinung nach im jetzigen Zustand viel schwerwiegender wäre, da ich gefühlt das Schlimmste schon hinter mir hatte.

Ja, ich hatte Glück. Keine Rückenmarksverletzungen und keine Verschiebungen in den Brüchen und keine Splitter – so konnte ich auf die OP guten Gewissens verzichten.

Wenn ich das gewusst hätte…

Hätte mir jemand direkt nach dem Sturz diese Diagnose gestellt, ich weiß nicht, ob ich das verkraftet hätte. Denn ich war ja schon geschockt von dem Unfall und mein körperlicher Zustand war schrecklich, das musste ich erst mal verkraften. Wenn dann solch eine Diagnose dazu kommt, dann ist man sozusagen doppelt geschockt. Ich hätte mir in dem Moment sicher nicht vorstellen können, dass der Körper das schafft, selbst zu heilen. Wenn die Ärzte ganz klar für OP plädieren.

Dann hätte ich aus lauter Angst sicher der OP zugestimmt. Oder ich hätte die OP abgelehnt, aber ständig Angst gehabt, mich zu bewegen, Angst, etwas könnte sich verschieben.
Da ich aber hoffte, es ist nur gestaucht und geprellt und verzerrt, dachte ich mir: Das wird schon wieder! Das war mein tägliches Mantra.

Ich denke wir sind alle so programmiert, bei Rückenverletzungen und Brüchen, keine Bewegung zu riskieren, dazu noch der Beckenbruch… wahrscheinlich hätte ich nicht gewagt mich zu bewegen und wäre die ganze Zeit unter extremer Angst gewesen.
Diese Angst hätte den Zugang zu meiner Körperwahrnehmung versperrt und ich hätte nicht mehr gespürt, was geht und was nicht geht, hätte gar nicht erst gewagt es zu probieren.

Deshalb bin ich dankbar, dass mir das mitten im Busch passiert ist und nicht in Deutschland, wo man mich sicher schnellstens in eine Klinik geschafft hätte. Denn die Menschen, die bei so einem Unfall dabei sind, fühlen sich ja auch verantwortlich und wollen nicht riskieren, etwas versäumt zu haben. Weshalb es am besten ist, die Verantwortung an die Mediziner abzugeben. Ganz und gar verständlich…

Vielleicht klappte das mit der Selbstheilung bei mir nur, weil die Möglichkeit für eine ärztliche Untersuchung gar nicht vorhanden war, so waren wir alle gezwungen, das Beste draus zu machen.
In meinem Fall war es wirklich ein Segen!

Manchmal ist es wohl gut, wenn man nicht alles weiß…

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